Interview mit Rudi Merz
Rudi Merz, Eco-Design Preisverleihung. Bild: Habitare. |
Rudi Merz ist ein Schweizer
Schreiner, der mit Nikari eng zusammenarbeitet und bereits seit über 40 Jahre
in Finnland lebt. Er gestaltet individuelle Möbel in Handarbeit und legt
grossen Wert auf natürliche Materialien und ökologische Herstellung.
Was hat dich so lange in Finnland
gehalten und vermisst du deine Heimat die Schweiz?
Ich habe Familie hier und Finnland
ist ein Land mit vielen Möglichkeiten, die ich sehr schätze. Als ich in den
60er Jahren hierher kam, hatte Finnland den Ruf ein armes Land zu sein. Zu
meiner Überraschung stellte ich aber fest, dass die Realität nicht diesen
Statistiken entsprach. Die Menschen hatten ein schönes, ausgeglichenes Leben
mit langen Ferien und fast jeder konnte sich ein eigenes Haus leisten. Finnland
hat darüber hinaus ein sehr gutes Gesundheitssystem, die Lebenshaltungskosten
sind günstiger als in der Schweiz, so dass man hier ein gutes Leben führen
kann. Ich bin einmal im Jahr in der Schweiz, so dass ich nicht allzu grosses
Heimweh bekomme.
Welche Gemeinsamkeiten und welche
Unterschiede siehst du zwischen den
Finnen und den Schweizern?
Sowohl die Schweizer als auch
Finnen haben einen engen Bezug zur Natur und haben sich mit schwierigen
Naturbedingungen auseinander setzen müssen. Beide schätzen gute Qualität und
Natürlichkeit. Was Design betrifft, haben die Schweizer jedoch nicht so einen
starken Bezug zum Design wie die Finnen, die meisten wissen nicht mal, dass Le
Corbussier ein Schweizer war. Finnen haben eine starke, emotionale Bindung zum
Design, was darauf zurückzuführen ist, dass in der Nachkriegszeit die ganze
Nation hinter modernem Design stand.
Heute ist Finnland aus meiner Sicht
in einer ähnlichen Lage wie die Schweiz in den 60er Jahren. Das Land war
wohlhabend und den Leuten ging es sehr gut, aber es fehlte an Motivation. So
entstand beispielsweise die Uhrenindustrie, die in erster Line von den
Einwanderern gegründet wurde. Sie waren oft motivierter und mussten mehr
arbeiten als es nach Landessitten üblich war. Nun sind die Finnen in einer ganz
ähnlichen Situation, ihre Interessen haben sich geändert und die Menschen ruhen
sich auf dem vergangenen Erfolg Finnlands aus. Sie kaufen Dinge, wie grosse, schöne
Autos, aber investieren nicht mehr genug in ihre Zukunft. Aus meiner Sicht
sollten die Menschen wieder stärker ihren Kopf benutzen, wie die Ausländer
heute in Finnland, und mehr leisten als das Notwendige, um erfolgreich zu sein.
Wenn es um neue Technologien oder Gesetzänderungen geht, sind die Finnen sehr
offen und schnell, manchmal vielleicht fast etwas zu offen und zu schnell. Sie
beteiligen sich nicht an den Diskussionen und zeigen oft überhaupt kein
Interesse an diesen Themen. Die Schweizer sind hier anders und gehen kritischer
mit diesen Themen um und diskutieren viel mehr.
RML1 Lounge Sessel von Nikari. |
Du und Nikari stellt sehr
hochwertige Produkte her, die entsprechend viel Geld kosten. Sind diese
finnischen Produkte denn exportfähig und sind Kunden bereit das Geld für teure
Designmöbel auszugeben?
Ja, ich denke schon. Ich bzw. wir
bei Nikari können es uns leisten viel Zeit und gutes Material in die Produkte
zu investieren. Mir persönlich ist Ökologie sehr wichtig, d.h. dass die
Produkte aus wertvollen Materialien sind und in guten Verhältnissen hergestellt
werden. Ich bin kein Fan von Massenfertigung. Wenn man heute Geschäfte
beobachtet, egal wo auf der Welt, findet man immer wieder die gleichen
Produkte. Wir bei Nikari wollen anders sein und individuelle Produkte
anfertigen, die die Zeit überdauern. Ich glaube, dass Menschen bereit sind mehr
Geld für Qualitätsware auszugeben, wenn sie wissen, dass sie ökologisch in
fairen Verhältnissen hergestellt sind und eine gute Qualität besitzen.
Die Schweizer Vitra übernahm vor
kurzem den finnischen Möbelhersteller Artek. Wie siehst du das?
Vitra ist sicher ein guter Partner
für Artek und ich finde es eine gute Sache. Artek wird dadurch ‚kultivierter’
(zitiert nach Finnlands Kunstkritiker Kaj Kalin).
Wie haben Ikea und andere
Billighersteller die skandinavische Möbelindustrie beeinflusst?
Der Ruf von Ikea ist wesentlich
besser als die Macher, aber nachlassend. Das Preis-Leistungsverhältnis ist
sensationell, basiert aber rücksichtslos auf Kosten der billigen
Arbeitskräften und Einkaufspreise. Deshalb wird mehr versprochen als tatsächlich
eingehalten wird. Aus meiner Sicht muss deshalb mehr Bewusstsein bei der Bevölkerung
geschaffen werden, um solche Aktivitäten einzustellen.
Wie siehst du die Zukunft des
finnischen und skandinavischen Designs?
Die alten Zeiten sind vorbei, das
muss man akzeptieren. Man kann sich nicht mehr auf den Erfolgen der 50er und
60er Jahre ausruhen. Nach dem Krieg wollte man schöne einfache Dinge günstig fürs
Volk herstellen, aber in den 70er wollten arme Leute keine einfachen Sachen
mehr, sondern prachtvolles Barock bzw. verschnörkeltes Design, das fürstlich
und glanzvoll schien. Heute funktioniert das erst recht nicht mehr. Früher
waren finnische Marken wie Marimekko weltbekannt und sorgten für Furore als sie
beispielsweise bei uns im Dorf auftauchten. Inzwischen haben sie aber ihren
Glanz verloren und lassen sich nicht mehr so vermarkten wie früher.
Es gibt aber aktuell ein Paar tolle
Designer in Finnland, die sehr gute Arbeit leisten und die ich sehr schätze.
Einer davon ist Harri Koskinen sowie das Designerduo Aamu Song und Johan Olin.
Sie versuchen erst gar nicht etwas Neues oder Besonderes zu schaffen, das es eh
schon gibt. Vielmehr konzentrieren sie sich auf simple und notwendige Dinge,
die individuell und schön sind und halten oder wiederbeleben die finnische
Handwerkskunst beziehungsweise was davon noch übrig ist. Ausserdem machen
eben das, was ihnen Spass macht. Design ist heute kein nationales Interesse
mehr, sondern bewegt sich nur noch in kleinen Kreisen. Daher wäre es wichtig für
junge Designer ins Ausland zu gehen und zu sehen, wie die Sachen dort gemacht
werden und nicht zu erwarten bis die Leute hierher kommen. Man muss andere
Sachen sehen und hierzu viel Zeit im Ausland verbringen, so wie das auch die
grossen Namen wie Kukkapuro und Aalto gemacht haben.
Was inspiriert dich und was schätzt
du am meisten an deiner Arbeit?
In den 80er Jahren hatte ich meine
Experimentier-Phase, aber inzwischen mache ich, was mir gefällt, eher
individuelle Möbel. Wenn man nach Trends designt und eine bestimmte Farbe pro
Saison verwenden muss, die es dann überall gibt, braucht es ja keine Designer
mehr. Ich muss nicht mehr das tun, was andere mir sagen oder etwas Neues und
Modernes erfinden. Mich treibt vielmehr mein Anspruch immer bessere Möbel zu
machen. Ich bin sehr kritisch und nie zufrieden mit dem Status Quo. Ein von mir
gemachter Stuhl soll ein Leben lang halten.
Anfangs habe auch ich Fehler
gemacht und wenn ein Stuhl nach 30 Jahren einen Riss bekommt oder aus dem Leim
geht, repariere ich ihn umsonst. Meine neuen Produkte, die häufig in den öffentlichen
Einrichtungen unter starkem Gebrauch stehen, halten ewig, das weiss ich, weil
ich alles selbst mache. Alles in Ruhe und ohne Eile. Das Material muss richtig
ausgetrocknet sein, was einige Monate dauern kann. Es lohnt sich aber auf etwas
Gutes zu warten, auch wenn die meisten Konsumenten das nicht würdigen. Es gibt
aber zunehmend mehr Kunden, die Interesse und Ansehen für Handarbeit haben.
Ausserdem liegt mir die Ökologie am
Herzen, wie ich schon erwähnt habe. Der Designer sollte sich für sein Produkt
verantwortlich fühlen und dies bei der Produktentwicklung berücksichtigen und
so unnötige Lagerungen, Transportwege, usw. vermeiden. Ich bin wieder für mein
Engagement mit dem diesjährigen Habitare EcoDesign-Preis ausgezeichnet worden,
wie schon letztes Jahr. Schreiner werden nicht grosszügig für ihre Arbeit
belohnt wie zum Beispiel Verkaufsmitarbeiter, aber es gibt gute Schreiner aus Überzeugung.
In der Zusammenarbeit ist es wichtig, dass der Schreiner und der Verkäufer das
gleiche Verständnis haben.
Wer oder wessen Arbeit hat dich und
deine Arbeit am meisten beeinflusst?
Ich habe fast 10 Jahre bei Yrjö
Kukkapuro gelernt und gearbeitet. Er war mein Ziehvater. Er und die Gespräche
mit ihm haben mich stark beeinflusst und ich habe viel von ihm gelernt. Wir
konnten immer diskutieren und ich konnte auch anderer Meinung sein.
Beispielsweise mache ich gerne traditionelle Produkte, wogegen es für Kukkapuro
immer moderne sein mussten.
RMT3 Stuhl von Nikari. |
RMJ Hocker von Nikari. |
Bilder: Nikari